Zu erschöpft für Jubel und Freudenschreie
Sina van Thiel vom Lexware Mountainbike Team erfüllt sich bei der Europameisterschaft in Portugal den Medaillentraum
244 Kilometer Mountainbike-Trails und 428 Kilometer Gravel-Strecken unterschiedlichster Schwierigkeitsgrade gibt es rund um das Melgaço Trainingscenter im Norden Portugals. das Terrain ist bestens geeignet für europäische MTB-Titelkämpfe. “Die Strecke war knüppelhart. Ich bin so tot, es tut so weh”, sagt Sina van Thiel (Foto oben) vom Lexware Mountainbike Team, kurz nachdem sie das EM-Rennen der Klasse U23 als Dritte beendet hat. Jubel? Freudenschreie? Nichts von alledem: “Ich bin zu fertig, zu erschöpft”, sagt sie. Teamkameradin Elina Benoit sicherte sich im selben Rennen den achten Platz. Elias Hückmann vom Lexware Team erkämpfte sich im Short Track der Junioren mit seiner offensiven Fahrweise Rang sechs.
Sina van Thiel: “Nicht aufgeben, da kann noch einiges passieren”Es war ein epischer Kampf, der sich im Cross-Country-Rennen der U23-Frauen um die Bronzemedaille entwickelte. Sina van Thiel hatte sich von hinten kommend auf dem vierten Platz breit gemacht, ihr Rückstand auf Position drei betrug Mitte des Rennens sechs Sekunden. Die Medaille war in Reichweite. Sina überholte die Österreicherin Katharina Sadnik, da war sie nun, wo sie sein wollte: auf einem Medaillenplatz, Rang drei. Eine halbe Runde später war er schon wieder weg. Die Schweizerin Monique Halter und Sadnik zogen vorbei, Sina fiel auf Rang fünf zurück. Hinzu kam, dass sie sich in den Runden verzählt hatte und glaubte, das Rennen sei gleich zu Ende: “Da dachte ich, ich schaff’s nicht mehr.” Auch eingangs der letzten von sechs Runden war die Lexware-Mountainbikerin Fünfte. Sie sprach sich nun Mut zu: “Nicht aufgeben Sina, da kann noch einiges passieren.” Die Österreicherin Sadnik schnappte sie sich in einer Bergauf-Passage und – welch’ Wunder – an der Schweizerin Monique Halter flog sie auf den letzten Metern im Stadion noch vorbei. Wie sich anschließend herausstellte, hatte bei Halter am Ende der Pannenteufel zugeschlagen, ihr Reifen verlor Luft. “Sie hat gesagt, dass sie mir die Bronzemedaille gönnt”, erzählt Sina, “mit der Medaille habe ich mir einen Traum erfüllt. Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe”. Ihr habe ein bisschen der Punch gefehlt, den sie sonst in Weltcuprennen immer dabei hat und je nach Lage der Dinge einsetzen kann. Ihr “Überlebenskampf” war dennoch erfolgreich, “the Bronze medal goes to Sina van Thiel”. Zum Kurs in Melgaçosagt die EM-Dritte: “Überall Steine und Wurzeln, es gab keine ruhigen Passagen. Den Kurs konnte man einfach nicht rund fahren.”
Elina Benoit: “Ich hatte viel Spaß und ein gutes Gefühl auf dem Rad”Die Schweizerin Elina Benoit, seit dieser Saison bei Lexware, zeigte ebenfalls eine reife Leistung. Nach einer “sehr speziellen Startphase” – in einer Kurve wurde sie innen blockiert – mit wenigen Überhol-Möglichkeiten kämpfte sie sich von Position 19 (Startloop) nach vorne. “Nach der ersten Runde konnte ich viele Konkurrentinnen überholen, ich bin ein konstant hohes Tempo gefahren.” Mitte des Rennens etablierte sie sich in den Top Ten, mit der Italienerin Sara Cortinovis und der Französin Olivia Onesti “battelte” sie sich um den siebten Platz. Die Französin konnte sie hinter sich lassen, Cortinovis zog ihr davon. “Ich bin mega zufrieden mit meinem Rennen und Rang acht”, sagt die 21-jährige Schweizerin aus dem Kanton Neuenburg, “ich hatte viel Spaß und ein gutes Gefühl auf dem Rad”.
Paul Schehl: “Es war das eine Rennen zuviel”Jeder Leistungssportler kennt sie, keiner mag sie: die schlechten Tage, wenn die Tagesform weiter hinter dem eigentlichen Leistungsvermögen zurückbleibt. “Es war ein Sch…tag”, sagt Paul Schehl vom Lexware Team zu seinem EM-Auftritt in der Klasse U23, “es war das eine Rennen zuviel. Ich bin echt fertig. Müde, physisch und auch vom Kopf her”. Er wird sich jetzt erst einmal eine einwöchige Pause gönnen, anschließend folgt das Höhentrainingslager in Davos. Die erste Saisonhälfte ist für Paul Schehl “besser gelaufen, als ich es mir jemals erträumt hatte”. Das U23-Weltcuprennen in Nove Mesto (Tschechien) gewann er nach einem fantastischen Sprintfinish, drei weitere Podiumsplätze in Short Track (XCC) und Cross-Country (XCO) erkämpfte er im Weltcup. In der XCO-Gesamtwertung liegt er an vierter Stelle in der höchsten internationalen Rennserie. Und vor einer Woche hat er sich überlegen den deutschen Meistertitel in der U23-Klasse gesichert. Im Cross-Country-Rennen von Melgaço war Paul anfangs unter den Besten zu finden, aber es wurde relativ schnell klar, dass es nur eine Momentaufnahme sein wird. Nach Startloop und erster Runde rutschte Paul Position für Position nach hinten, ihm fehlten Energie und Frische. Mitte der dritten Runde fiel er aus den Top Ten heraus, nach sieben Runden erreichte er als 17. das Ziel. Es ehrt ihn, dass er diesen vermaledeiten Auftritt nicht vorzeitig abbrach, sondern der Versuchung stand hielt und das Ganze zu einem Ende brachte. Er kann das Rennen abhaken. “Ich hoffe, dass ich jetzt wieder Ruhe reinkriege und mich nach einer Pause gut auf die zweite Saisonhälfte mit der WM und meinem Lieblings-Weltcup in Mégève vorbereiten kann”, sagt Paul. |
Elias Hückmann: “Ich konnte meine Sprinterbeine nicht finden”Elias Hückmann (Foto unten/Mitte) war der einzige EM-Teilnehmer des Lexware Teams, der für die Short-Track-Titelrennen in Portugal nominiert worden war und er rechtfertigte das Vertrauen mit einer offensiven Fahrweise. Nach einem gelungenen Start ging er als Führender in die erste Schlüsselstelle: “Ich konnte mich das ganze Rennen über in den vorderen Positionen halten.” So entging er dem Gerangel auf den hinteren Positionen und kam flüssig durch die schwierigen Passagen. Eingangs der letzten Runde attackierte der 17-Jährige vom Team Lexware und es bildete sich eine Spitzengruppe, die den Sieg unter sich ausmachte. “Im Zielsprint war ich zu langsam und habe die Medaille verpasst”, sagt Elias, der drei Sekunden nach dem Sieger als Sechster und bester Deutscher das kurze EM-Rennen beendete. Im Cross-Country-Rennen “konnte ich meine Sprinterbeine nicht finden”, erzählt er, bereits in der Startloop wurde er von Startplatz 16 deutlich nach hinten gespült. Er raffte sich zwar wieder auf, durch den aufgewirbelten Staub der Vorausfahrenden bekam er jedoch Atemprobleme, die seine Aufholjagd erschwerten. “Ich habe dann ganz gut meinen Tritt gefunden und bin auf 15 vorgefahren”, sagt Elias, “zufrieden bin ich damit aber nicht, weil ich mit einem besseren Start wahrscheinlich deutlich besser ins Rennen gefunden hätte”. Spaß habe ihm das Event insgesamt schon gemacht, ergänzt er. Clara Hirsch: “War eine echt coole Erfahrung” “Ich war schon ein bisschen aufgeregt, es war ja meine Premiere bei einem internationalen Titelrennen”, erzählt Clara Hirsch, “ich wollte Deutschland gut vertreten und das ist mir auch relativ gut gelungen”. Die 15-Jährige vom Lexware Mountainbike Team hat beim olympischen Jugend-Festival (EYOF) in Skobje im Cross-Country-Rennen den sechsten Platz belegt, obwohl die Strecke nicht nach ihrem Geschmack war. Deutschlands beste U17-Mountainbikerin mag es gern technisch schwierig, die größten Herausforderungen bei dem Rennen in Nord-Mazedonien waren jedoch Hitze, Sand und Staub. “Ich habe meine Beine noch vom Rennen in Wombach gespürt”, sagt sie, “ich konnte an der Spitzengruppe nicht dranbleiben”. Sie fand dennoch ihren Rhythmus, zogt ihr Tempo durch und verteidigte Rang sechs gegen eine junge Slowakin. “Ich bin sehr zufrieden mit meiner Leistung. Es war eine echt coole Erfahrung.” |