Höhenflug, aber auch ein bisschen traurig Paul Schehl wird bei der Cross-Country-WM Vierter in der Klasse U23 / Elina Benoit auf Rang fünf und Sina van Thiel als Zehnte runden das starke Ergebnis des Lexware Mountainbike Teams ab
Dass er mit dem Mountainbike zu Großem fähig ist, hat er schon mehrfach bewiesen. Im Juniorenalter wurde Paul Schehl (Foto oben) Weltmeister, in dieser Saison hat er im U23-Weltcup ein Cross-Country-Rennen gewonnen und stand im Short Track zweimal auf dem Siegertreppchen. Bei der Weltmeisterschaft in Crans-Montana (Schweiz) ist dem 21-Jährigen vom Lexware Mountainbike Team mit Rang vier im Cross-Country-Rennen ein weiterer exzellenter Leistungsnachweis gelungen: “Ich bin überglücklich mit meinem Rennen, aber auch ein bisschen traurig über die Platzierung”. “Es ist nur die Holzmedaille”, schreit einer von der Seite rein.
Hervorragend präsentiert haben sich auch Elina Benoit und Sina van Thiel vom Lexware Team im WM-Rennen der U23-Frauen. “Ich glaube, das ist ein Rennen für mich”, hatte die zierliche Schweizerin schon im Vorfeld vermutet. Die Bestätigung folgte prompt: Elina kam mit den Tücken der Strecke – in der Nacht zuvor hatte es geregnet – gut zurecht und wurde WM-Fünfte. “Vor 30 Tagen lag sie noch im Krankenhaus”, sagt Lexware-Teammanager Daniel Berhe, umso erstaunlicher ist es, dass Sina nach ihrem Sturz im Trainingslager und der anschließenden Zwangspause das WM-Rennen als Zehnte beendete.
Paul Schehl: “Ich hab’ den Deckel draufgemacht”Der Renntag hat für Paul Schehl im Wallis morgens um halb acht begonnen. “11 Uhr Start ist optimal, da kann man ganz entspannt bis 7.30 Uhr schlafen”, sagt er. Aufstehen, frühstücken: “Reis verträgt mein Magen gut, meistens mit Nutella, das hat sich bewährt.” Anschließend noch einmal Beine hochlegen, Augen schließen, innehalten, konzentrieren. Vom Teamhotel in Crans-Montana auf rund 1500 Metern zum Wettkampfareal ist es nicht weit. Paul fährt sich auf der Straße und Rolle warm. “Meistens mache ich noch ein, zwei Intensitäten und Trittfrequenz-Aktivierung.”
83 Mountainbiker treten zum Titelkampf der U23 auf einer Strecke (3,8 km/160 Höhenmeter) an, die allseits als “einer WM würdig” gelobt wird und ein breites Spektrum an Fähigkeiten einfordert. “Leider habe ich am Anfang die Gruppe vorne verpasst. Ich habe dann versucht, allein vorzufahren, hab’ es aber nicht geschafft”, sagt Paul. An der Spitze hat sich ein Quartett installiert, der deutsche Meister ist dahinter als Fünfter eine zeitlang alleine unterwegs, bis die erste größere Verfolgergruppe zu ihm aufschließt. Mit einer Attacke zerbröselt der spätere Weltmeister Finn Treudler (Schweiz) die Vierer-Spitzengruppe, es entsteht eine neue Rennsituation: zwei Einzelkämpfer auf den Rängen zwei und drei, dahinter die Vierergruppe mit Paul Schehl: “Ich habe gehofft, dass der Dritte irgendwann ein bisschen langsamer wird und wir ihn noch einholen”, erzählt Paul, der Däne Gustav Pedersen tut ihm den Gefallen aber nicht. Als es in die letzte Runde geht, ist klar, dass die Schehl-Gruppe um Rang vier kämpft. “Ich habe dann den Deckel draufgemacht. Ich habe richtig Gas gegeben, bergauf und runter und hab’ die Jungs abgehängt”, sagt Paul. Mit einem Lächeln im Gesicht erreicht er als Vierter das Ziel. “Ich bin sehr zufrieden mit dem Rennen, das war erzsolide. Ich habe alles gegeben.” Zuversichtlich blickt er auf die letzten drei Weltcuprennen der Saison. “Meine Form geht wieder hoch. Ich bin ready. Das war heute ein guter Tag, das Rad hat gut funktioniert, alles mega.”
Elina Benoit: “In den Anstiegen habe ich mich sehr stark gefühlt” Als sie über den Zielstrich fährt, kommt die Faust. Anschließend gratuliert Elina Benoit ihrer Schweizer Landsfrau Anina Hutter, sie liegen sich kurz in den Armen. Elina hat den Kampf um den vierten Platz im WM-Rennen der U23-Frauen in der letzten Abfahrt gegen Hutter knapp verloren, der Unterschied ist jedoch marginal. Bleiben wird, mit welcher Einstellung sich die 21-jährige Schweizerin nach einem unglücklichen Start – “ich wurde in der ersten Kurve blockiert” – von Position 30 entschlossen nach vorne arbeitet bis unter die Besten. Wie sie trotz des Malheurs ruhig geblieben und weiter konstant ihr Tempo gefahren ist. “Es war sehr hart, dennoch konnte ich das Rennen auch genießen”, klar, die Zuschauer haben ihr und Hutter, den beiden besten U23-Schweizerinnen, zugejubelt. In der Endphase des Rennens ist Elina sogar der Dritten bedrohlich nahe gekommen, zehn Sekunden Rückstand waren es nur noch. Leider habe sie dann in einer Abfahrt einen Fehler gemacht und wieder Zeit verlorern. “In den Anstiegen habe ich mich sehr stark gefühlt”, sagt Elina, “ich bin mega zufrieden mit meinem Rennen und die Stimmung war einfach super”.
Sina van Thiel: “Das ist unglaublich. Ich bin selbst überrascht”Die Geschichte des WM-Rennens von Sina van Thiel (Foto unten) beginnt vor einem Monat. Ebenfalls in der Schweiz. Die 22-Jährige stürzt im Trainingslager heftig, verbringt eine Nacht im Hospital. Anschließend aufgrund verschiedener Verletzungen elf Tage Sportpause. Sina fängt wieder an zu trainieren, fährt zehn Minuten auf der Rolle, dann brummt der Kopf. Sie steigert die Dauer kontrolliert von Tag zu Tag. Sie geht wieder raus aufs Rennrand, anfangs eine Stunde. Dann ins Gelände, um zu sehen, wie sie die Erschütterungen verkraftet. Eine Woche vor dem WM-Rennen fährt sie erstmals im Training wieder Intervalle, unter der Woche dann noch eine zweite intensive Einheit. “Eine richtige Vorbereitung war das ja nicht, dafür ist es echt gut gelaufen”, sagt Sina. In der letzten von sechs Runden rückt sie noch zwei Plätze vor, von zwölf auf zehn. Im Grundtempo, sie nennt es “Standgas”, kann sie ganz gut mithalten, “die Spitzen berghoch konnte ich aber nicht mitgehen”. Einmal hat sie es versucht, “da habe ich gemerkt, dass ich anschließend im Kopf nicht mehr ganz klar war”. Ein No-go auf den schwierigen Abfahrten, da muss der Kopf klar sein. “Ich bin entspannt geblieben und habe mein Ding gemacht.” Gereicht hat es für die Top Ten bei der WM. “Das ist unglaublich. Ich bin selbst überrascht, dass ich Zehnte geworden bin.” Wie viele andere auch – nach dieser Vorgeschichte.
“Es war ein guter Tag, ein gutes Rennen”Wow, was für ein Rennen von Elias Hückmann bei der WM. Seit dieser Saison startet er für das Lexware Mountainbike Team, Manager Daniel Berhe hatte vor Beginn der Saison gesagt: “Er hat eigentlich alle U17-Rennen in der Schweiz und Deutschland gewonnen, teils mit großem Vorsprung. Er ist ein Riesentalent”. Das hat Elias jetzt im Juniorenrennen bei der Weltmeisterschaft in Crans Montana eindrucksvoll demonstriert. Von Position 29 gestartet brauchte er nur eine Runde, um sich in die Top Ten vorzukämpfen – obwohl: “Mein Start war nicht optimal, es war übel hektisch, die Lenker haben sich verhakt, aber ich bin jedenfalls auf dem Rad geblieben und nicht gestürzt”, erzählt er. Weil in der Spitzengruppe an den Anstiegen immer mächtig gedrückt wurde und kleine Lücken aufgingen, sei er ganz nach vorne gefahren. Mitten rein in die Weltspitze. Ende der zweiten Runde erschien er im Klassement auf Rang drei. Nochmal wow. Bei der deutschen Meisterschaft hatte er einen Konkurrenten noch ziehen lassen müssen, jetzt beim Saisonhöhepunkt in der Schweiz war er mit deutlichem Abstand bester deutscher Junior. Im wichtigsten Rennen der Saison hat er seine beste Performance ausgepackt. Genialer Formaufbau. “Ich bin dann auf Asphalt in einer Kurve mit dem Vorderrad weggerutscht, passiert ist nichts, ich konnte gleich wieder aufs Rad und weiterfahren.” In der vorletzten Runde bekam Elias Krämpfe: “Ich musste reißen lassen. In der letzten Runde war es echt schlimm mit den Krämpfen.” Dadurch hat er in der Schlussphase noch einige Positionen verloren, an der positiven Gesamtbewertung ändert das aber nichts: “Die Strecke hat Spaß gemacht. Es war ein guter Tag, ein gutes Rennen.” Chapeau!