“Es trifft mich hart, aber ich blicke nach vorn”

June 15, 2023 6:13 pm
“Es trifft mich hart, aber ich blicke nach vorn”Blogbeitrag von Max Brandl nach der Höhenanpassung in Livigno und dem Weltcup in Lenzerheide Nachdem meine Teamkollegin Nina Benz in ihrem Blogbeitrag schon von einigen Schwierigkeiten in Nove Mesto berichtet hat, würde ich gern leichtere Kost aus der Lenzerheide servieren. Aber wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, mussten mein Teamkollege Lennart Krayer und ich wegen einer Erkältung nach unseren Short-Track-Rennen das Team verlassen, um die anderen Sportler*innen nicht zu gefährden. Dafür kann ich von einigen schönen Tagen bei der Höhenanpassung in Livigno berichten und damit fange ich auch an.
Am Montag nach dem Bundesligarennen in Gedern packen Lenni, hochmotiviert nach seinem Erfolg in der Elitekategorie, und ich, der das Rennen ausgelassen hatte, das Auto randvoll mit Mountainbikes, Rennrädern, Ersatzmaterial, Smarttrainer (falls das Wetter schlecht werden sollte), Koffern und Rucksäcken. Den Start beim Vulkan-Race in Gedern hatte ich ausgelassen, um vor der Höhenanpassung die wichtigen intensiven Einheiten setzen zu können, auf die man am Anfang in der Höhenlage verzichten muss. Wir fahren also durch den bekannten Tunnel von Norden ins Val di Spöl, das Tal, in dem Livigno liegt und sind voller Vorfreude auf die kommenden Trainingstage in dieser malerischen Landschaft, die Lenni zum ersten Mal sieht und ich immerhin von der vergangenen Saison und von einem Trainingslager 2015 (als ich in der U19 war) kenne. Im Hotel angekommen, treffen wir auf unseren Teamkollegen Benjamin Krüger und den vierten Teilnehmer des Trainingslagers des Nationalteams, Ben Schweizer. Das Trainingslager dient als kurze Anpassung auf den etwas in der Höhe gelegenen Weltcup in der Lenzerheide (1500 Meter). Da diese Höhe nicht so extrem ist wie beispielsweise beim Weltcup in Andorra (1900 Meter), wählen nicht besonders viele Athleten die Vorbereitungsvariante mit Höhenanpassung, sondern trainieren in ihrem gewohnten Umfeld weiter. 
 “Ich konnte die Zeit in Livigno wirklich genießen”Die ersten Trainingstage in Livigno verlaufen gut und ruhig. Keiner der anderen Teilnehmer war schon einmal hier. So habe ich recht freie Wahl, was die Routen angeht und kann die anderen etwas herumführen. Einmal geht es über den noch geschlossenen Forcola-Pass und den Bernina-Pass Richtung St. Moritz. Das Wetter spielt super mit und man muss aufpassen, dass man den Blick nicht zu lange von den angepassten Leistungswerten und den hier besonders wichtigen Pulswerten über die Bergwelt und die ständig auftauchenden Murmeltiere schweifen lässt. Der Bernina-See ist am ersten Tag noch komplett vereist und liegt in einem eindrucksvollen Farben- und Eisformationenspiel vor uns. An einem anderen Tag fahren wir die Straßenrunde runter nach Tirano und leicht ansteigend nach Bormio. Hier stehen unsere ersten schnelleren Programme über dem vorsichtigen Grundlagentempo auf dem Trainingsplan und es weht ein Hauch von „Giro-d’Italia-Gefühl“, wenn wir durch das Adda-Tal Richtung Stilfser Joch brettern. Aber wir biegen vorher links ab, setzen uns in ein Café und fahren danach über den Foscagno-Pass zurück nach Livigno.
Nach dem ersten Trianingsblock wird das Wetter für drei Tage schlechter. Wir teilen die Einheiten auf, um uns zwischendurch wieder aufwärmen zu können. In der nassesten und kältesten Einheit fällt die Temperatur, die zuvor gegen 20 Grad ging, während eines Intervallprograms auf fünf Grad. Selbst Bundestrainer „Speedy“, der anfangs noch im T-Shirt unsere Laktatwerte misst, packt sich dick ein und verteilt die Regenjacken, die wir ihm mitgegeben haben. Nach ein paar Stunden Mittagspause mit Pasta Pomodoro, einem Espresso und einem Power-Nap klart der Himmel wieder auf und wir fahren noch einmal zweieinhalb Stunden Grundlage am Foscagno und Eira-Pass. Der letzte Trainingstag verläuft wieder trocken und so kann ich den Jungs noch ein paar entspannte Trails zeigen, ohne dass wir uns komplett einsauen. Ich konnte die Zeit in Livigno wirklich genießen und freue mich schon auf das nächste Höhentrainingslager. Am Mittwoch werden die Autos wieder gepackt, wir essen noch ein letztes Mal Pizza und fahren erneut durch tolle Landschaften wie den Albula-Pass zum Weltcup in die Lenzerheide. So macht reisen Spaß!
 “Außere Umstände haben mich im Short Track gebremst” In Lenzerheide steht für mich am Donnerstag das erste Streckentraining an. Gemeinsam mit meinem Teamkollegen David List schaue ich mir den kurzen neuen Teil und die gewohnten alten Abschnitte an. Wir finden schnell in unseren Rhythmus, auch wenn hier und da noch am Samstag im Abschlusstraining gefeilt werden muss. Eine Runde dieses ersten Streckentrainings könnt ihr auch auf Davids You-Tube-Kanal ansehen – wie immer spektakulär und unterhaltsam.
Der nächste Tag hält für mich den Short Track bereit. Dieses Rennen in der Lenzerheide ist taktisch nicht ganz einfach. Es gibt einiges an Anstieg, aber vor allem viele Abschnitte, in denen überholen schwierig ist und deshalb ist ein guter Start entscheidend für ein gutes Resultat. Nach den soliden Ergebnissen in Nove Mesto starte ich als Weltcup-15. aus der zweiten Reihe, was nahezu eine perfekte Ausgangsbedingung ist. Da kann wenig schiefgehen – denke ich mir. Prompt tritt der Fahrer vor mir am Start neben das Pedal und ich bin sofort außerhalb der Top 30. So etwas am Start demotiviert einen gerne mal etwas, aber ich versuche mich in dem hektischen Feld wieder vorzukämpfen. Das gelingt nach ein paar Runden auch langsam, bis mich der Sturz eines anderen Fahrers komplett blockiert und mich vom Vordringen in die Top 24 abhält, was einen Startplatz in der dritten Reihe am Sonntag beim Cross-Country-Rennen bedeutet hätte. Am Ende reicht es leider nur für den 28. Platz. Das nervt mich schon ziemlich, weil ich spüre, dass mehr drin gewesen wäre, aber äußere Umstände mich gebremst haben. Naja, dann eben vierte Reihe am Sonntag.
Doch dazu kommt es leider nicht. Am Samstag wachen Lenni und ich (wir waren während der ganzen Zeit Zimmerkollegen) mit Halskratzen, erhöhtem Ruhepuls und schlechten Erholungswerten auf. Zuerst schieben wir es noch auf die Short-Track-Rennen und starten am Vormittag zu unserem Streckentraining, aber mir wird schon am ersten Anstieg klar, dass da etwas nicht stimmt. Also brechen wir das Training ab und isolieren uns erst einmal von den anderen Teammitgliedern beim Mittagessen. Nachmittags entscheiden wir dann, dass für uns das Rennwochenende hier endet. Angeschlagen und enttäuscht steigen wir wieder in das vollgepackte Auto und juckeln zurück nach Freiburg.
Im ersten Moment trifft es mich schon ziemlich hart. Denn im Frühjahr hatte ich bereits mit einer sich ziehenden Verletzung und einer direkt darauffolgenden hartnäckigen Erkältung zu kämpfen, danach mit mentalen Schwierigkeiten. Das alles hat mich schon einige Rennen verpassen lassen, was ich nach der verletzungsreichen vergangenen Saison unbedingt vermeiden wollte. Aber mittlerweile bin ich wieder etwas resilienter und kann nach vorne blicken. Jetzt heißt es so schnell wie möglich gesund werden und ich versuche, in Leogang wieder am Start zu stehen. Die Fitness kommt dann schon mit der Zeit. Ich freue mich vor allem auf die danach folgenden Rennen bei den European Games in Krakau und meinen Lieblings-Weltcup in Val di Sole. Ich hoffe, ihr könnt mich am Wochenende bereits wieder bei der Weltcup-Übertragung aus Leogang sehen. Bis dahin!