Schaulaufen vor Olympia: Überlegene Siege für Nina Benz und David List in Heubach

April 29, 2024 6:33 am
Bei nationalen Vergleichen der Besten wie am Wochenende in Heubach schaut Mountainbike-Bundestrainer Peter Schaupp in der vorolympischen Saisonphase noch etwas genauer hin als sonst. Denn die aktuellen Kräfteverhältnisse sind für die Beurteilung unerlässlich, wenngleich der Qualifizierungsweg bereits vor zwei Jahren begonnen hat. “In die sportfachliche Bewertung fließen zusätzlich die Cross-Country-Weltcups im Juni in Val di Sole und Crans Montana mit ein”, schreibt Peter Schaupp, die Nominierungsvorschläge für die Spiele in Paris sind für Anfang Juli geplant. Nach derzeitigem Stand hat Deutschland bei den Männern zwei Mountainbike-Startplätze, bei den Frauen einen. Beim zweiten Bundesligarennen der Saison in Heubach (HC/Hors Catégorie) haben sich Nina Benz und David List (Foto oben) vom Lexware Mountainbike Team mit souveränen Start-Ziel-Siegen eindrucksvoll für höhere Aufgaben empfohlen, ebenso Teamkollege Max Brandl mit einer starken Leistung und Rang drei bei den Männern. Seine Klasse demonstrierte auch Lennart Krayer im U-23-Rennen, das er nach nach einer Solofahrt überlegen gewann. Dritter wurde Paul Schehl. Beide starten ebenfalls für das Lexware Mountainbike Team, das seinen Sitz im Dreisamtal und Hochschwarzwald hat. 
Elite: “Wahrscheinlich bin ich so fit wie noch nie”David List bleibt im Moment des großen Triumphs gelassen. Kann am niederen Ruhepuls liegen, den Spitzensportler haben. “Ich bin irgendwann einfach meinen Stiefel gefahren”, sagt er, nachdem er das HC-Bundesligarennen in Heubach in eindrucksvoller Manier gewonnen hat. Dem Stiefel, den er gefahren ist, konnte in der Anfangsphase nur Teamkollege Max Brandl folgen, nach der zweiten Runde jedoch niemand mehr. “Ich bin schon irgendwie am Limit gefahren, aber halt nie darüber hinaus gegangen”, kommentiert der 24-jährige Student aus Freiburg seine One-Man-Show. Beim vergangenen Weltcup ist David List von Rang 62 auf 14 vorgefahren, jetzt der überlegene Sieg auf der Ostalb. “Ja, meine Form ist aktuell gut. Ich bin gut durch den Winter gekommen, das zahlt sich jetzt aus.” War die Form denn schon jemals besser? “Das Leistungsniveau baut sich über die Jahre auf, wahrscheinlich bin ich schon so fit wie noch nie”, sagt Heubach-Sieger David List.
Obwohl Max Brandl in der letzten Runde von Julian Schelb noch von Rang zwei auf drei verdrängt wurde, ist er “positiv überrascht”, wie gut das Rennen in Heubach für ihn gelaufen sei.  “Man darf ja nicht vergessen, dass ich in Brasilien aufgrund der Infektion neun Tage nicht auf dem Rad war”, sagt Brandl. Anfangs konnte sich der 26-Jährige noch an das Hinterrad seines vorneweg fahrenden Teamkollegen klemmen, “der ist aber bärenstark gefahren und mir war klar, dass ich mit meinen Kräften haushalten muss”. Was folgte, bezeichnet Brandl als “kontrolliertes Reißenlassen”. Er verteidigte den zweiten Platz lange, sehr lange, die Verfolger kamen mal näher, anschließend vergrößerte sich sein Vorsprung wieder. In den letzten beiden Runden schwanden die Kräfte, “ich war leer”, sagt er. Natürlich sei es bitter, in der letzten Runde noch überholt zu werden, “ich bin dennoch zufrieden mit meiner Leistung und dem Ergebnis”, sagt Max Brandl, der zusammen mit List für die Europameisterschaft nominiert ist.
Nina Benz strahlte im Ziel über das ganze Gesicht nach ihrer Siegesfahrt bei den Frauen. “Das ist so genial jetzt, weil ich echt nicht damit gerechnet habe”, “sagt die 25-Jährige, denn zuletzt hatte sie mit einigen Hindernissen zu kämpfen. Da waren einerseits die Knieschmerzen, die sie zwei Wochen zum Innehalten zwangen und die Reise zu den Weltcups nach Brasilien verhinderten. Zum anderen fing sie sich vor Heubach eine Erkältung ein. “Ich wusste nicht, ob Heubach zu früh kommt, aber ich wollte es unbedingt probieren.” Sie sei mehr als glücklich, “wie das nun gelaufen ist”. Gelaufen ist es so: Nina Benz startete gut und wollte anfangs nur mal schauen, ob die anderen ihr Tempo aufnehmen und mitgehen. Es ging aber keine mit. “Ich bin dann einfach meinen Tritt weitergefahren”, ihr Vorsprung wurde von Runde zu Runde größer. Es war eine Triumphfahrt beim Heimrennen vor Freunden und ihrer Familie, “keine 50 Kilometer von Heubach entfernt komme ich her”. Voller Zuversicht und Optimismus blickt Nina Benz voraus: “Ich bin bereit, ohne weitere Stolpersteine weiterzuarbeiten, und freue mich auf die nächsten Rennen.” Die wird sie bei der EM in Rumänien bestreiten.

Klasse U23: “Hier geht es schon gemein den Berg hoch” 
Lennart Krayer, Paul Schehl und Benjamin Krüger vom Lexware Team haben  im U-23-Rennen der Männer ihre gute Form unterstrichen und werden die deutschen Farben in zwei Wochen auch bei der Europameisterschaft in Rumänien vertreten. Krayer und Schehl begnügten sich anfangs in der Spitzengruppe mit der Lauerstellung. “Im vergangenen Jahr bin ich hier sehr schnell in Führung gegangen und dann gestürzt”, sagt Krayer, seine anfängliche Zurückhaltung gehörte dieses Mal zum Plan. Als er in der zweiten Runde an die Spitze ging, war der 22-Jährige überrascht, dass sich hinter ihm eine Lücke auftat. “Dann musste ich durchziehen und fahren”, sagt Krayer. In den Runden drei und vier habe er “ein kleines Energieloch” durchlebt, “ich habe mich dann gut verpflegt, dann ging es wieder aufwärts”. Sein Sieg in der U-23-Klasse geriet nicht mehr in Gefahr.
Lexware-Teamkollege Paul Schehl lieferte sich fast über die gesamte Renndauer ein Privatduell mit dem Urkainer Oleksandr Hudyma, in der Schlussphase kämpften die beiden um den zweiten Platz. “In der letzten Runde war er einfach schneller. Ich war am Ende total leer”, sagt Schehl, glücklich mit dem dritten Platz ist er dennoch: “Das war mein bestes Rennen in Heubach, das ich je gefahren bin”, gesteht der 19-Jährige, “hier geht es schon sehr gemein den Berg hoch”. Trotz Magenproblemen beendete Benjamin Krüger den U-23-Wettkampf auf Rang acht. “Anfangs konnte ich mich Stück für Stück nach vorne arbeiten”, sagt der 20-Jährige, “am Ende hatte ich aber nicht mehr viel Energie. Mit dem achten  Platz in einem HC-Rennen bin ich dennoch zufrieden”. Lexware-Teamkollege Niklas Franz bekam nach einem guten Start aufgrund der Pollen fast keine Luft mehr und als auch noch die Bremse brach, gab er das Rennen auf.
Nach zwei harten Trainingswochen ist Antonia Weeger vom Lexware Team “mit keinerlei Erwartungen” ins U-23-Rennen der Frauen gestartet. Ihre Taktik: “Ich fahre, was meine Beine hergeben.” In der Startphase war das nicht viel, die Muskeln brannten und sie dachte schon “oje”. Doch plötzlich gingen die Beine auf und gaben, was die 19-Jährige forderte: alles. “Ich konnte mich Runde für Runde nach vorne arbeiten und am Schluss auch noch meine Teamkollegin Sina van Thiel überholen”, frohlockt Antonia Weeger nach Rang sechs. 17 Sekunden hinter ihr wurde Sina van Thiel Siebte: “Ich war lange krank. Für mich war es hier in Heubach echt hart, weil ich zuvor nur einmal Intervalle gefahren bin”, sagt die 21-Jährige, “ich weiß, dass ich besser fahren kann, es dauert jetzt einfach seine Zeit”.