U-23-Starter überzeugen mit starken Leistungen beim MTB-Weltcup in den USA / Sina van Thiel wird Achte

October 4, 2023 11:54 am

“Vor unserem Balkon frisst eine Rehfamilie jeden Morgen und Abend Gras. Die sind überhaupt nicht scheu”, berichtet Sina van Thiel (Foto oben) vom Cross-Country-Weltcup in den USA, “das ist hier Natur pur, ich glaube im Umkreis von 40 Kilometern gibt es nichts anderes”. Im Winter Skistation mit etlichen Hotels und Unterkünften, im Sommer Mountainbike-Weltcuport – das ist Snowshoe in West-Virginia. Auf knapp 1500 Metern wurden die vorletzten Short-Track- (XCC) und Cross-Country-Rennen (XCO) der Weltcupsaison ausgetragen. Sina van Thiel vom Lexware Mountainbike Team gelang mit Rang acht im Cross-Country der Klasse U23 ein Top-Ten-Ergebnis, im Short Race zuvor war sie Elfte geworden. Lexware-Teamkollege Paul Schehl überzeugte in derselben Altersklasse mit den Rängen zwölf (Cross-Country) und 13 (Short Track), Lennart Krayer belegte im XCO-Rennen der U23 den 14. Platz. Ein Durchschlag am Hinterrad raubte David List im Eliterennen der Männer jegliche Perspektive. Platz 56. Zehn Ränge vor ihm reihte sich Lexware-Kollege Max Brandl ins Klassement ein. Als 35. kam Nina Benz bei den Frauen ins Ziel.

“Geniale Aufholjagd” von Sina van Thiel / David List: “Das Pech war mit mir”Sina van Thiel gehört zu den weltbesten Mountainbikerinnen in der Klasse U23. Die Perspektiven der WM-Achten sind hervorragend, da sie noch zwei weitere Jahre in dieser Klasse starten kann. Die lange Reise in die USA und die Zeitumstellung hatten ihr vom Vorfeld des Weltcups zu schaffen gemacht: “Das war ganz schön anstregend. Ich war 24 Stunden wach und bin das erste Mal kurz im Auto eingeschlafen.” Auf den Naturkurs in Snowshoe mit vielen technischen Schwierigkeiten präsentierte sich die 20-Jährige dennoch ausgeschlafen und demonstrierte Leistungsstärke. Da sie beim Start des Cross-Country-Rennens behindert wurde – “die Fahrerin vor mir kam nicht vom Fleck und ich bin ziemlich lange stecken geblieben” – konnte sie erst nach der Runde eins “mein Ding fahren”. “Es war dann eine geniale Aufholjagd. Es ist total motivierend, wenn man ständig nur überholt.” Rang acht ist Belohnung für eine starke Leistung.
“Ich bin die ersten drei Runden nicht gut gefahren”, erzählt Paul Schehl, in der Startloop in einer Kurve “selbstverschuldet abgeschmiert” war. Wenig später das nächste Malheur: Der 19-Jährige schrammte mit seinem Schuh an einer Steinwand entlang und demolierte ihn. “Erst in der Hälfte des Rennens habe ich meinen Rhythmus wiedergefunden und konnte einige Positionen gutmachen. Ich bin mit Rang zwölf zufrieden, kann aber noch einiges verbessern.”
Gleiches gilt für Lennart Krayer. “Durch mein Pech im Short Track hatte ich mir einiges an Arbeit für das Cross-Country-Rennen aufgeladen, da ich nur aus der vierten Reihe starten durfte.” Nach der kurzen Auftaktrunde wurde der 21-Jährige jedoch kontinuierlich schneller und sammelte Fahrer um Fahrer ein. In der letzten Runde realisierte er die drittschnellste Zeit des gesamten Feldes. “Platz 14 ist okay. Es wäre aber mehr drin gewesen, wenn ich nicht so ein Pech im Short Track gehabt hätte.”
“An einem Tag, an dem man sich so gut fühlt, so ein Pech zu haben, ist echt gemein”, sagt David List nach Rang 56 im XCO-Rennen. Schon beim Start ging es los. Ein Konkurrent fiel in den 24-Jährigen rein, der dadurch aus dem Pedal rutschte. Stillstand, statt Raketenstart. In der Startrunde hat ihm ein anderer Fahrer die Schnalle am Radschu abgefahren – “aber alles halb so wild, von da an bin ich stetig nach vorne gefahren”, sagt List. Selten in dieser Saison habe er sich so gut gefühlt, die Beine waren leistungswillig: “Ich konnte aufstehen und attackieren”. In der zweiten Runde passierte es, an einer eigentlich unspektakulären Stelle bergauf. Es ging über drei Steinplatten nach oben, offensichtlich hatte eine Kante das Hinterrad unsaft erwischt. Durchschlag. List fuhr auf plattem Reifen weiter, 400 Meter vor der Tech-Zone schälte es den Reifen von der Felge, er musste das Rad schultern und rennen. “Natürlich bin ich zu Ende gefahren, aber von da an war das Rennen gelaufen. Das Pech war an diesem Tag einfach mit mir.”
Die Wege im Sport sind auf den ersten Blick nicht immer erklärbar. Eine Woche zuvor hatte Max Brandl bei seinem zweiten Platz beim Swiss Bike Cup in Gstaad den Schweizer Marcel Guerrini im Finale noch abgehängt, beim Weltcup in West Virginia wurde Guerrini nun Dritter und der deutsche Doppelmeister kam als 46. ins Ziel! “Das Rennen war im Großen und Ganzen bescheiden, die Schikane in der Startgeraden hat mich ziemlich aufgehalten und meine eh nicht optimale Startposition noch verschlechert”, sagt Brandl, der sich um Position 50 in die erste Abfahrt stürzte, wo ein Stau seinen Vorwärtsdrang erneut bremste. “Ich hatte anfangs hier und da spritzige Beine, nach der zweiten Runde hat sich aber nicht mehr viel getan, es war ziemlich zäh und die Beine waren scheiße.” Bergab sei es gut gelaufen, davon könne er sich aber nichts kaufen.

Lennart Krayer: “Im Short Track ist das Spiel aufgrund der kurzen Renndauer schnell vorbei”
“Ich habe mich aufgrund des Jetlags müde gefühlt und war nicht so voller Kraft wie sonst”, sagt Paul Schehl, “ich bin aber dennoch ein solides Rennen gefahren”. Er war im Short-Track-Rennen der Klasse U23 als 13. erneut Bestplatzierter des jüngsten Jahrgangs. “Ich bin am Start geil durchgekommen und konnte alles umsetzen, was ich mir vorgenommen hatte”, erzählt der Junioren-Weltmeister des Jahres 2022.
“Im Short Track ist das Spiel aufgrund der kurzen Renndauer schnell vorbei”, sagt Lexware-Teamkollege Lennart Krayer. Kurz nach dem Start war er in einen Crash verwickelt, nach der Startrunde lag er ganz hinten im Feld der 40 Starter. Zudem hatte Krayer mit dem Halt im linken Schuh Probleme, “deshalb konnte ich nicht so gut überholen. Obwohl ich noch einige Plätze gutmachen konnte, bin ich im Short Track nur auf Rang 25 rausgekommen.”
 “Mein Start war Bombe”, sagt Sina van Thiel zu ihrem Short-Track-Rennen. Nach einem Kontakt mit einem Stein versetzte es ihr anschließend das Vorderrad, “das hat mich etwas aus dem Konzept gebracht und ich bin ein paar Plätze zurückgefallen”. Wieder im “race mode” konnte sie in der letzten Runde noch zwei Konkurrentinnen überholen und sich den elften Platz sichern. “Danach war ich ziemlich fertig. Die Höhenluft hier hat auch ziemlich gekickt. Aber ich bin sehr zufrieden mit meiner Platzierung.”
Aufgrund der unberührten Natur rund um die Skistation Snowshoe hatten Sina van Thiel und Lennart Krayer “ein bissl Schiss vor Bären”. Doch alles war “safe”, an der Rennstrecke herrschte gute Stimmung, Bären hatten sich nicht unter die Schaulustigen gemischt.