Weltmeisterschaften in Mont Sainte Anne, Kanada
Olympia-Ticket für Vidaurre Kossmann – Brandl Fünfter
„Ich kann es noch gar nicht glauben, Platz vier und fast noch Platz drei.“ Martin Vidaurre Kossmann hängt im Ziel über seinem Lenker, atmet tief durch und schüttelt den Kopf. In seinem ersten U23-Jahr hat er die Bronze-Medaille von Vital Albin (+2:06) nur um 13 Sekunden verfehlt und seine beste Saisonleistung abgeliefert, obschon alles andere zuvor schon besser war als erwartet. Gleichzeitig hat er in einem aufregenden Rennen damit einen von zwei Olympia-Startplätzen ergattert, die der komplizierte Qualifikations-Modus des Internationalen Olympischen Komitees für Nationen bereit hält, die über die Nationenwertung keine Plätze ergattern. Das Rennen auf dem 4,1 Kilometer langen Kurs am St. Lorenz-Strom beginnt für Martin Vidaurre Kossmann überhaupt nicht gut. Während sein Teamkollege Max Brandl das Feld an erster Stelle durch die erste Runde führt, verliert Vidaurre Kossmann durch einen schmerzhaften Sturz erst einmal seine gute Ausgangsposition. Der Chilene sammelt sich aber gleich wieder und fährt von da an ein blitzsauberes und kluges Rennen. „Ich bin schon Vollgas gefahren, aber ich bin mit Köpfchen gefahren und habe immer ein bisschen gespart“, erzählt der 19-Jährige. Zwei Runden vor Schluss kämpft er noch in einer Dreier-Gruppe zwischen Rang neun und elf, doch dann macht sich seine Strategie bezahlt. Ein paar Konkurrenten werden müder, andere holen sich Reifendefekte, Vidaurre Kossmann aber kann sein Tempo noch steigern. Am Ende wird er Vierter und hat damit das Olympia-Ticket in der Tasche. „Es ist unfassbar, dass ich die Quali habe, dabei war der Sturz am Anfang nicht so ganz ohne“, sagt Vidaurre Kossmann.
Max Brandl: Dann hat der Rücken zugemacht
Max Brandl sieht seinen Teamkollegen in der Schlussrunde vor sich, zehn Sekunden sind es noch. Doch dann fällt ihm die Kette runter. Im Ziel gratuliert er seinem Kumpel zu dessen super Ergebnis und feixt. „Wenn mir die Kette nicht runter gefallen wäre, hätte ich dich noch gekriegt“, sagt er lachend. 15 bis 20 Sekunden hat er dabei verloren, am Ende fehlen ihm 16 Sekunden auf den Chilenen. Das passiert etwa 200 Meter vor der Technischen Zone, aber er entscheidet, sie selbst wieder aufzulegen. „Ich weiß, wie ich die wieder drauf kriege und dachte: Ruhe bewahren, das Ding drauf und weiter.“ Trotz dieses Zeitverlusts verbucht er auf der Schlussrunde, gemeinsam mit Sieger Vlad Dascalu (1:19:50) die beste Zeit. Bis dahin allerdings wundert man sich als Beobachter über den Rennverlauf des Deutschen Meisters. Nach einem guten Start übernimmt Brandl in der ersten von sechs Runden die Regie und führt das Feld an. „In der ersten Runde ging es sehr gut“, erzählt er später, um dann gleich zu erklären, warum er irgendwann nur noch an zwölfter Position unterwegs war: „Dann hat der Rücken zugemacht.“ Sobald Attacken gingen, sobald es intensiver wurde, konnte Brandl nicht mehr mitspielen. Die Rückenverletzung vom Trainingssturz im Val di Sole griff mit langem Arm ins WM-Geschehen ein. „Ich habe jede Runde Wasser auf den Rücken geleert“, erläutert Brandl, wie er versucht das Problem zu bekämpfen. Allerdings verpufft der Effekt jeweils relativ schnell wieder. In der vorletzten Runde scheint es dann aber plötzlich wieder besser zu gehen. „Da wird dann halt nicht mehr so explosiv gefahren“, erklärt Brandl. Er kommt der Verfolgergruppe vor ihm wieder näher, schließt auf und schluckt einen Fahrer nach dem anderen. In die Karten spielt ihm auch, dass der Däne Simon Andreassen an zweiter Stelle liegend in der Schlussrunde einen Reifendefekt erleidet, wie einige andere Konkurrenten auch. Brandl fährt technisch sauber und kommt ohne Probleme durch. Bei der Überquerung der Ziellinie hebt er die Faust und freut sich über seine Leistung. „Ich kann unter den Bedingungen echt zufrieden sein, ich bin froh, wie das Rennen gelaufen ist. Im Moment bin ich aber zu kaputt, um große Emotionen zu zeigen“, gibt er noch zu Protokoll.
David List: Mit dieser Vorgeschichte zufrieden
Er hätte sich ein Top-20-Ergebnis gewünscht, es wurde Rang 26 (+7:21). „Das ist keine totale Katastrophe, aber auch nichts Überragendes“, ordnete David List sein WM-Ergebnis ein. Der Friedrichshafener, der in Furtwangen studiert, musste den Umständen der vergangenen Wochen, vielleicht auch Monate, Tribut zollen. Zuletzt war es eine Knie-Verletzung, dann noch eine Erkältung, die den Trainingsrhythmus störten und das Ausschöpfen seiner maximalen Möglichkeiten unmöglich machten. List war ordentlich ins Rennen gekommen, fuhr dann von Position 34 nach der Startrunde bis auf 25 nach vorne, doch weiter ging es nicht. Zum Schluss verlor er noch das Duell mit dem Kanadier Quinton Disera um sechs Sekunden. „Schade, nicht ganz die Top 25“, kniff er ein wenig die Lippen zusammen, „aber man kann schon einen Haken dran machen.“ Wenn man das ganze Jahr anschaue, dann sei da halt viel passiert.
Herren Rennen
Schwarzbauer „ehrlich“ auf Rang 36
Bei seiner ersten Elite-WM belegt Luca Schwarzbauer als zweitbester Deutscher im kanadischen Mont Sainte Anne Rang 36. Teamkollege Georg Egger beendet das Rennen vor einer stimmungsvollen Kulisse auf Position 44.
„Das war ein richtig ehrliches Rennen.“ Luca Schwarzbauer verleiht der WM an der kanadischen Ostküste ein spezielles Prädikat. Eine 4,1 Kilometer lange Strecke, die fahrtechnisch und körperlich den Sportlern alles abverlangt, was ein Mountainbiker zu bieten hat. „Da kann man sich nicht durchmogeln.“
Auf dem 4,1 Kilometer langen Kurs braucht es den ganzen Körper, weil die technischen Anforderungen so hoch sind, nicht nur bergab. Und von Fehlern, spricht nach dem Rennen nahezu jeder Fahrer.
Luca Schwarzbauer hat mit seiner Startnummer 53 das Glück, dass er auf den ersten paar hundert Metern auf der richtigen Seite unterwegs ist. Ein Kettenriss eines Konkurrenten auf der anderen Seite lässt ihn sofort Positionen gewinnen.
„Ich dachte, jetzt bin ich schon unter den besten 30, aber dem war nicht so“, erzählte Luca Schwarzbauer. Das stimmt nicht ganz. Er war etwa an 35. Position. Dort kämpft er dann über die gesamte Distanz um die Plätze, pendelte zwischen 37 und 34 und landete am Ende auf Rang 36, 6:20 Minuten hinter dem alten und neuen Weltmeister Nino Schurter (Schweiz, 1:27:05), der 30 Sekunden vor seinem Landsmann Mathias Flückiger und 38 Sekunden vor dem Franzosen Stephane Tempier seinen achten WM-Titel holt. Ein wenig plagen Schwarzbauer Rückenschmerzen, aber irgendwie schwang in seinem Statement auch ein wenig Stolz bei der WM auf der Traditionsstrecke gut durchgekommen zu sein. „Für mich als Vertreter des jüngsten Elite-Jahrgang ist das okay. Bei der WM wollen alle schnell fahren. Ich sehe mich insgesamt auf einem super Weg und denke, das ist ein solides Ergebnis“, resümiert Schwarzbauer. Vor ihm landet mit seinem schwäbischen Landsmann Manuel Fumic (Kirchheim/T, +2:36) auf Rang 13 nur ein Deutscher.
Egger beißt sich durch
Georg Egger wurde 44. (+7:48). Der 24-Jährige erwischt keinen optimalen Tag. „Es ging nicht so gut, aber ich habe mich durchgebissen. Mir hat für diesen schweren Kurs und die WM die Frische gefehlt“, gesteht Egger, der erst noch bei Schwarzbauer mitfuhr, seinen Teamkollegen dann aber nicht halten konnte. „Ich habe aber nicht den Kopf in den Sand gesteckt“, meint Egger noch und sieht kritisch einige Fehler, die er in den technischen Passagen begangen hat. „Es gab immer wieder Trouble. Durch andere Fahrer vor mir oder ich habe selbst mal was falsch gemacht. Ich denke, ich habe ein, zwei Minuten im fahrtechnischen Bereich liegen lassen.“
Positive WM-Bilanz
Team-Chef Daniel Berhe war mit den WM-Leistungen seiner sieben Lexware-Fahrer insgesamt zufrieden. „Wir freuen uns natürlich über das Ergebnis von Martin Vidaurre Kossmann. Auch der fünfte Platz von Max ist unter den gegebenen Umstünden mit den Rückenproblemen ein starkes Resultat. Die Junioren haben sich gut verkauft, Thore hat die Erwartungen mehr als erfüllt“, kommentiert Berhe die Bilanz.
Dass Martin Vidaurre Kossmann das Olympia-Ticket lösen konnte, ist noch mal ein spezieller Moment für die Equipe aus dem Hochschwarzwald. „Für uns ist das ein Meilenstein“, betont Berhe. „Wir können ja sogar noch einen zweiten Fahrer zu Olympia bringen. Aber es ist nicht die Zeit, sich zurückzulehnen. Wir müssen täglich seriös weiterarbeiten.“
Die Karawane der U23- und Elite-Fahrer zieht jetzt weiter zum Weltcup-Finale nach Snowshoe Mountain in West Virginia, USA.
Junioren Rennen
Thore Hemmerling vom Lexware Mountainbike Team knackt bei den Weltmeisterschaften im kanadischen Mont Sainte Anne seine eigene Zielvorgabe geknackt und erfüllt mit Rang 19 die Erwartungen. Louis Krauss erwischt keinen guten Tag und wird nur 39. Die Startnummer 62, mit der Thore Hemmerling am Mont Sainte Anne ins Rennen auf der 4,1 Kilometer langen Strecke ging, ist ein großes Handicap. Was der Saarländer bei seiner WM-Premiere draus macht, ist mehr als man erwarten konnte. Dabei hat sich Hemmerling in der ersten Runde mit einem Sturz ein zusätzliches Handicap eingehandelt. Auf einer Holzpassage, die durch nächtliche Regenfälle rutschig geworden ist, rutscht er weg, fällt von dem Bauwerk runter und mit dem Rücken auf einen Stein. „Das hat ganz schön weh getan“, bekennt Hemmerling im Ziel. Kurze Zeit später rutscht er noch mal weg und benötigt nach den Zwischenfällen erst mal ein wenig, um sich wieder zu sortieren. In den folgenden Runden traut er sich diese Passage nicht mehr zu und fährt stattdessen einen Umweg. Zu diesem Zeitpunkt sieht man ihn im Rennen mal den Kopf schütteln, doch er hat sich da schon bis auf Position 29 nach vorne gearbeitet. Im Verlauf der zweiten Runde springt er auf Rang 22, wird dann von seinem Landsmann Lennart Krayer überholt, unterlässt es aber dem deutschen Meister zu folgen. „Ich habe das bei der EM so gemacht und habe dafür bezahlt“, so Hemmerling. Er bleibt bei seinem Rhythmus und kann sich auch so noch um drei Positionen verbessern. Und in den letzten beiden Runde fährt er wieder über die Holzkonstruktion. „In der vierten Runde habe ich das wieder gemacht, weil ich Druck von hinten bekommen habe“, so Hemmerling, der am Ende 19. wird, 4:53 Minuten hinter dem Briten Charlie Aldridge (1:07:31), der vor dem Franzosen Luca Martin und dem Italiener Andrea Vittone Gold holt. „Mein persönliches Ziel habe ich erreicht, alles“, kommentierte ein zufriedener Hemmerling. Auf Rang zwölf, den am Ende Lennart Krayer als zweitbester Deutscher hinter dem jahrgangsälteren Markus Eydt (Merchweiler, 9., +3:46) einnimmt, fehlen ihm nur 13 Sekunden.
Louis Krauss ohne Körperspannung
Louis Krauss belegt bei seiner ersten WM nur Rang 39. (+11:16) und ist mit seinem Rennen gar nicht zufrieden. „Ich hatte gleich Seitenstecher und meine Füße waren schlapp“, bekennt Krauss, „ich habe keine Ahnung warum.“ Dem Schwaben fehlt es völlig an Körperspannung. Dass dem guten Fahrtechniker dann in seinen Regionen in den technischen Passagen immer weniger starke Fahrer vor der Nase herum fuhren, das nahm dann zusätzlich auch noch den Spaß an der Sache. „Die Beatrice konnte ich nie fahren“, schüttelt er enttäuscht den Kopf. Dieses Streckenteil gilt als besondere Herausforderung.